зороастрEfrîn – Seit mehreren Jahrzehnten sorgt besonders die Thematik Zarathustra innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft für große Spannungen. Besonders die Organisation der Föderation Êzîdîscher Kurden (FÊK), dessen Gründung von der PKK Führung vor rund 20 Jahren initiiert wurde, beharrt auf der Behauptung, Êzîden seien die Nachfahren der Zoroastrier, das Êzîdentum sei eine Abspaltung des Zoroatrismus und Zarathustra sei der Prophet der Êzîden. Diese evident politisch motivierte und wissenschaftlich längst falsifizierte Behauptung beinhaltet das Kalkül, geltende êzîdîsche Gebote, gesellschaftliche Konventionen und bestimmte heilige Persönlichkeiten auszuhöhlen. Statt den derzeit herrschenden Heiratsregeln und dem Kastensystem soll die Religion so manipuliert werden, dass z.B. eine Missionierung möglich sein soll. Weil beide genannten Aspekte und  fundamentale Charaktermerkmale dem êzîdîschen Heiligen Sheikhadi zugesprochen werden, wird der Versuch unternommen, Sheikhadi aus dem Êzîdentum zu drängen und an seine Stelle Zarathustra zu platzieren. Voraussetzung dafür ist, dass Sheikhadi innerhalb der êzîdîschen Gemeinschaft diskreditiert wird und so in Verruf geraten soll. Immer und immer wieder behaupten daher Mitglieder der PKK als auch der Föderation Êzîdîscher Kurden, Sheikhadi sei Araber gewesen, der die Êzîden islamisieren wollte bzw. sollte.

Dass die Vorfahren der Êzîden rund 800 Jahre lang keinerlei Anlass zu einer derart schwachsinnigen Diskussion sahen, interessiert recht wenig. So hört und liest man immer öfter von Êzîden, die Sheikhadi samt die ihm zugeschriebenen Regeln und Gebote kritisieren. Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen um Jugendliche und Ältere mit kaum bis keinem historischen und religiösen Verständnis über die Religion der Êzîden. Denn beide genannten Aspekte sind weder von Sheikhadi im Êzîdentum manifestiert worden, noch ist er der originärer Urheber des Kastensystems. Dies muss aber behauptet werden, um so die Gesellschaft der Êzîden polarisieren zu können.

ZerdestEfrinWeil in den Texten der Êzîden Zarathustra keinerlei Erwähnung findet, haben Mitglieder der FÊK gefälschte und angeblich sakrale Texte der êzîdîschen Religon publiziert und in Umlauf gebracht (siehe hier). Bis heute hat sich dafür niemand entschuldigt. Bewusst wird versucht, im Sinne von Parteiinteressen die êzîdîsche Religion zu manipulieren und für die eigenen Ziele zu instrumentalisieren. Die säkular ausgerichtete PKK Führung hat kein Interesse daran, dass die bestehenden Gebote der êzîdîschen Religion bestehen bleiben, weil sie gegen ihre Ideologie verstoßen.

Wir haben hierfür nochmals den Religiösen Rat der Êzîden im Irak mit der Frage konfrontiert, ob Zarathustra der Prophet der Êzîden ist. Die übereinstimmende Antwort der Geistlichen: „Trotz der Tatsache, dass wir als Êzîden Propheten wie Zarathustra, Jesus, Mohammed usw. respektieren, können wir diese dennoch nicht als unsere eigenen betrachten. Êzîden haben keinen Propheten, es ist den Êzîden auch nicht erlaubt, Abbildungen ihrer Heiligen in Form von Statuen etc. aufzustellen.“

In der kurdischen Stadt Efrîn hat der Kulturausschuss der Partei der Demokratischen Union (PYD), die der PKK nahesteht, den Êzîden nun ein Denkmal in Form einer Zarathustra-Statue und mit zoroastrischem Glaubensbekenntnis gesetzt. Vor wenigen Monaten haben die Kurden im Norden Syriens die Demokratische Autonomie mit den drei Kantonen Efrîn, Kobanî und Cizîr ausgerufen. Im Gesellschaftsvertrag von Rojava (Westkurdistan), das den drei Kantonen de facto als Verfassung dient, sind die Êzîden explizit im Art. 32, Abs. C) genannt, in der es heißt: „Das Yezidentum ist eine eigenständige Konfession. Die YezidInnen verfügen über alle gesellschaftlichen Rechte und das Recht, ihren Glauben zu leben.“

ZerdestEfrin2Die PYD zeigt damit, dass sie das Problem der Vergangenheit bezüglich der entrechteten Êzîden innerhalb des Machtbereiches des Islams erkannt hat und daher die Notwendigkeit sah, die Êzîden zumindest rechtlich abzusichern. Ein in dieser Form historischer Schritt im Nahen Osten. Dass sie nun die Êzîden wieder zum Spielball einer Ideologie macht, vielleicht auch unbewusst, weil ihr die Problematik nicht ganz vertraut ist  und damit an der Manipulation der êzîdîschen Religion teilnimmt, ist zutiefst bedauernswert. Gerade vor dem Hintergrund der guten Absicht dieses Denkmales.

êzîdîPress, 25.04.2014