Menschenhandel

Shingal (Irak) – Tausende êzîdîsche Frauen sind von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS)  verschleppt worden, nach dem die Terroristen in die Region Shingal im Nordirak einmarschiert sind. Hunderte Familien zudem von den Terroristen in ihren Dörfern umzingelt und gefangen. Frauen, die nicht mit Kämpfern der Terrorgruppe zwangsverheiratet werden, landen in Gefängnissen in Mosul und in Shingal, wo sie brutal vergewaltigt, misshandelt und schließlich als Sexsklaven an Kaufwillige in der arabischen Welt verkauft werden.

Nun profitieren immer häufiger auch arabische Menschenhändler vom Sklavenhandel mit êzîdîschen Frauen und in Notlage geratene êzîdîsche Familien, deren Ortschaften von der Terrorgruppe IS umzingelt worden sind. Um ihr Leben zu retten, zahlen sie horrende Summen an die Schlepper, die die Notlage der Familien für ökonomische Gewinne ausnutzen.

Frauen werden von den Terroristen auf Märkten für Preise von 20 bis zu 150 US-Dollar angeboten. Arabische Händler kaufen diese Frauen und kontaktieren die Familien, um für ihre Freilassung teilweise über 1.000 US-Dollar zu fordern. In einigen Fällen betrügen sie jedoch auch die verzweifelten Familien, behalten das Geld und lassen die Frauen dennoch nicht frei.

Auch vom IS umzingelte oder festgehaltene Familien werden von arabischen Menschenhändlern gegen Entgelt in sichere Regionen von Kurdistan befördert, sofern sie die nötige Summe aufbringen können. Die kurdische Nachrichtenagentur BasNews berichtet ebenfalls von derartigen Fällen und konnte hat mit Betroffenen gesprochen: „Wir sind 7 Familienmitglieder und wurden von Araber aus Baaj für 1.000 US-Dollar pro Person aus Shingal in die Region zwischen Mosul und Tel Afar gebracht“, so einer der Êzîden. Ein kleines Vermögen für irakische Verhältnisse und von vielen Familien nicht zu zahlen.

In der Stadt Baaj, die rund 30km südlich vom Shingal-Gebirge liegt, werden seit Wochen mehrere hundert Êzîden festgehalten. Darunter vor allem Männer und Kinder, während Frauen und Mädchen bereits nach Mosul verschleppt worden sind. Noch am 15. August wurden in Baaj nach êzîdîPress Informationen alleine 208 Frauen gefangen gehalten, die zeitweise Kontakt mit ihren Familienangehörigen aufnehmen konnten und nach Erlösung durch Luftschläge baten.

„Unsere Familie besteht aus 9 Mitgliedern, wir wurden von einigen Arabern und deren PKWs befreit. Wir waren umzingelt und mussten uns unsere Freiheit durch die arabischen Händler erkaufen, ansonsten wären wir der ISIS in die Hände gefallen. Deshalb haben wir für unsere Freiheit all unser Geld den arabischen Händlern übergeben“, so ein weiterer Êzîdî gegenüber BasNews.

Teilweise handelt es sich bei den Menschenhändlern um bisherige Nachbarn der Êzîden in Shingal. Die arabisch-sunnitischen Stämme sollen Augenzeugen und Überlebenden zufolge maßgeblich an der Erstürmung der Region mitgewirkt und die êzîdîschen Flüchtlinge noch vor den IS-Terrorkommandos mit Sturmgewehren angegriffen haben.

Verzweifelt versuchen êzîdîsche Familien ihre gefangen gehaltenen Familienangehörigen freizukaufen. Vielen fehlt jedoch das Geld und viele der entführten Frauen sind bereits an Dritte verkauft und in andere Länder verschleppt worden, so etwa nach Syrien. Der Hohe Rat des Ministeriums für Frauenangelegenheiten, geleitet von der Frauenaktivistin Pakhshan Zangana, der kurdischen Autonomieregierung versucht derzeit mit allen erdenklichen Mitteln, möglichst viele der Frauen freizukaufen. Es fehlt jedoch sowohl an den notwendigen Geldmitteln als auch an Mittelsmänner, die die Frauen von den Terroristen freikaufen könnten.

Nur in Ausnahmefällen haben arabische Familien und bisherige Nachbarn der Êzîden êzîdîsche Frauen freigekauft und ohne Entgelt ihren Familien übergeben. So hat etwa kürzlich im Norden von Shingal eine arabische Familie ein Dutzend êzîdîsche Frauen befreit, sie gepflegt und anschließend in die Obhut der Familien übergeben.

êzîdîPress, 29. Aug. 2014