Sherfedino
Pilgerstätte Sherfedin in Shingal, nach Lalish die zweitwichtigste Heiligenstätte der Eziden

.
SHINGAL. Seit Wochen rufen die êzîdîschen Widerstandskämpfer vergeblich nach Verstärkung und Nachschub für ihren Kampf gegen den Terror des Islamischen Staates (IS) in Shingal, der gestern schließlich mit einer Großoffensive gegen die Êzîden begonnen hat. Zuvor gelang es dem IS, die Versorgungsroute der Widerstandskämpfer, von der Pilgerstätte Sherfedîn aus am nördlichen Gebirgshang zur syrisch-irakischen Grenze, zu blockieren. Heute wurden die schweren Gefechte einem ÊzîdîPress-Korrespondenten vor Ort zufolge fortgesetzt – vor allem an der Pilgerstätte tobt nun ein erbitterter Kampf.

Mit rund 40 gepanzerten Humvees und dutzenden weiterer bewaffneter Fahrzeuge kesselte die Terrormiliz gestern schließlich die letzten, von den êzîdîschen Widerstandseinheiten kontrollierten, Dörfer Duhola und Borik ein und zwang die Kämpfer zum Rückzug in das Shingal-Gebirge. Für eine Verteidigung der Dörfer fehlt es den Kämpfern nach wie vor an schweren, panzerbrechenden Waffen, die über die Versorgungsroute hätten an die Êzîden geliefert werden können. Widerstandskämpfer verschanzten sich an der Pilgerstätte Sherfedîn, die sie unter keinem Umstand aufgeben werden, so die Kämpfer und ihre Kommandeure. Tausende Zivilisten harren nun auf dem Gebirge aus, umzingelt von den IS-Terroristen.

Dem IS gelang gestern die Einnahme der einzigen Zufahrtsstraße zu Sherfedîn und versuchte vorzudringen. Widerstandskämpfer stellten sich dem Vormarsch entgegen, mehrere der Kämpfer ließen dabei ihr Leben. Der Vormarsch konnte zumindest für Stunden gestoppt werden.

Eine ebenso seit Wochen angekündigte Offensive der Peshmerga-Armee zur Untersützung und Entlastung der êzîdîschen Kämpfer ist bislang nicht erfolgt. Eine offizielle Begründung liegt nicht vor, man sei aber wegen den Niederschlägen in den vergangenen Tagen nun „im Schlamm stecken geblieben“, hieß es von einem Peshmerga-Kommandeur, der aufgrund der erneuten IS-Offensive um eine Erklärung ringte. Ohne die Peshmerga ist eine Befreiung der Region jedoch nicht möglich.

In Wirklichkeit, das zeigen die Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen, steckt hinter dem Fernblieben der Peshmerga ein politisches Machtspiel um die Zukunft der Region. Wieder entscheiden also Politiker über Leben und Tod. Die Peshmerga-Soldaten folgen ihren Befehlen.

Irakische Politiker verlautbarten gestern – wieder einmal – die Pilgerstätte Sherfedîn sei von IS-Terroristen zerstört worden. So etwa ein Parlamentsabgeordneter der Union der Nationalen Kräfte. Die Behauptung wurde von mehreren Nachrichtenagenturen übernommen und publiziert. Wenige Tage nachdem der IS die Region überrannte, kursierte ein ähnliches Gerücht. Die Behauptung ist – wieder einmal – falsch. Richtig ist, dass eine Heiligenstätte, nämlich Quba Amadîn, im Süden des Gebirges zerstört wurde, nicht aber Sherfedîn.

Seit dem Ansturm der IS-Terroristen auf die Region Shingal ist die Pilgerstätte zum Symbol des Widerstandes geworden. Von hier aus organisierte Qasim Shesho, nun General der Verteidigungseinheit Shingals HPŞ, den bewaffneten Kampf gegen den IS-Terror in Shingal. Tagelang konnte seine Einheit die schweren Angriffe auf die Pilgerstätte abwehren und die Menschen im Gebirge vor einem Eindringen der Terroristen bewahren. Nun ist die Pilgerstätte erneut schweren Angriffen ausgesetzt und die Êzîden in den Zustand des 3. August zurückversetzt worden.

Die Kommandeure der Êzîden bitten daher dringend nach Luftschlägen der Koalitionsstreitkräften gegen die IS-Panzer und Stellungen, die bisher jedoch aufgrund des Nebels in Shingal keine Angriffe fliegen konnten, so die Erklärung aus diplomatischen Kreisen Washingtons.

êzîdîPress, 21. Okt. 20147