Lamiya Baschar (li.) und Nadia Murad mit Sacharow-Preis ausgezeichnet
Lamiya Baschar (li.) und Nadia Murad mit Sacharow-Preis ausgezeichnet (euTV)


Straßburg. Das Europäische Parlament wird heute in Straßburg den beiden Êzîdînnen Nadia Murad und Lamiya Aji Baschar den Sacharow-Preis verleihen. Sowohl Nadia Murad als auch Lamiya Aji Baschar überlebten den Völkermord der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gegen die Êzîden in Shingal und konnten nach mehreren Monaten Gefangenschaft entkommen. Seitdem engagieren sich beide für über 3.600 Frauen und Kinder, die seit über zwei Jahren weiterhin in Gefangenschaft des IS leiden. Beide Frauen leben mittlerweile in Deutschland. Nadia Murad wurde von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zur UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Opfer des Menschenhandels ernannt.

Die Verleihung des Sacharow-Preises gab Parlamentspräsident Martin Schulz bereits am 27. Oktober vor dem europäischen Plenum bekannt. Schulz sagte, dass man mit der Verleihung „zeige[…], dass deren Kampf nicht vergeblich war und dass wir bereit sind, uns aktiv zu engagieren, um diese mutigen Frauen zu unterstützen[…]“.

Zahlreiche Vertreter der êzîdîschen Gemeinschaft in und außerhalb Europas sind zur Verleihung angereist. Lamiya Baschar und Nadia Murad gelten heute als die wichtigsten êzîdîschen Stimmen, die unerbittlich an den anhaltenden Völkermord erinnern und aus ihrem Martyrium einen Kampf für Freiheit gemacht und den Leidenden so Hoffnung geschenkt haben.

Sowohl Nadia Murad als auch Lamiya Baschar stammen aus dem Dorf Kocho im Süden der Shingal-Region. Dort verübte die Terrormiliz IS eines der brutalsten Massaker. Nach Augenzeugenangaben töteten die Islamisten in Kocho rund 600 Männer und Jugendliche, entführten und versklavten weitere über 1.000 Frauen und Mädchen, darunter auch Nadia Murad und Lamiya Baschar. Nadia Murad konnte im November 2014, Lamiya Baschar im April 2016 entkommen. Bei ihrer Flucht wurde Lamiya Baschar durch eine Mine schwer verletzt und musste in Deutschland behandelt werden. Zwei weitere Êzîdînnen, die mit Baschar die Flucht ergriffen, kamen bei der Explosion ums Leben.

Trotz ihres Leides kämpfen beide Frauen entschlossen für die Rechte der verfolgten Minderheit. Der Preis verleihe ihnen Kraft, um ihre Arbeit fortzusetzen, sagten die Êzîdînnen. Die Auszeichnung sei zudem ein Zeichen der Solidarität mit den Êzîden, so Baschar. Murad erklärte, man müsse die Verantwortlichen des Völkermordes vor den Internationalen Strafgerichtshof stellen und bestrafen.

Nach UN-Angaben wurden in den Dörfern und Gemeinden Shingals mindestens 5.000 Êzîden ermordet und bis zu 7.000 Frauen und Kinder, darunter viele minderjährige Mädchen, verschleppt, versklavt und anschließend systematisch vergewaltigt. Neben der UN haben das Europäische Parlament, die parlamentarische Versammlung des Europarates, die US-Regierung, das britische Parlament sowie vor wenigen Tagen das französische Parlament die Verbrechen des IS an den Êzîden als Völkermord anerkannt bzw. bezeichnet.

© ÊzîdîPress, 13. Dezember 2016