Wappen der Verteidigungseinheit Shingal (HPŞ)[S]hingal. Mit einer Pressemitteilung haben sich die leitenden Kommandeure der Verteidigungseinheit Shingals (HPŞ) zu den jüngsten Behauptungen des Peshmerga-Ministeriums geäußert. Vor wenigen Tagen verlautbarte die regierungsnahe kurdische Nachrichtenagentur Rûdaw, dass die êzîdîschen Widerstandskämpfer nun „offiziell“ dem Peshmerga-Ministerium unterstehen und fortan als Peshmerga in Shingal kämpfen. Die êzîdîschen Widerstandskämpfer hätten sich dem Bericht nach „freiwillig“ dem Peshmerga-Ministerium unterstellt.

Dass die êzîdîschen Widerstandskämpfer der HPŞ nun alle offiziell als „Peshmerga“ in Shingal kämpfen, bezeichnet die Führung der HPŞ als „Lüge“. Die Verteidigungseinheit Shingals kämpfe „unabhängig von politischen Parteien“ und unterstehe nicht dem „Peshmerga-Ministerium“, heißt es in der Pressemitteilung. Dass sich vereinzelt êzîdîsche Widerstandskämpfer zu den Peshmerga bekennen, sei eine persönliche Angelegenheit. Für einen offiziellen Beschluss liegt keine gemeinsame Erklärung der sieben Kommandeure der êzîdîschen Verteidigungseinheit vor.

„Wir als Êzîden kämpfen seit über vier Monaten auf unabhängiger Basis gegen den IS, um unsere Ehre, unsere Heimat, unsere Würde und unseren Stolz zu verteidigen. […] Unter diesen Ereignissen ist die Verteidigungseinheit Shingals als unabhängige êzîdîsche Einheit gegründet worden, hier werden wir keine Kompromisse eingehen, wir werden auch weiterhin unabhängig bleiben. Es ist das natürliche Recht der Êzîden, nach 74 Vernichtungsfeldzügen eine eigene Verteidigungseinheit zu etablieren […]“.

Weiterhin kritisiert die HPŞ-Führung die Berichterstattung Rûdaws, die „politische indoktriniert“ sei und immer wieder gezielt falsche Informationen veröffentlicht. Die Glaubwürdigkeit sei in Frage zu stellen, so etwa auch wegen den Berichten über eine angebliche „Zerstörung der Pilgerstätte Sherfedîn“, von der Rûdaw fälschlicherweise immer wieder berichtete (1, 2), ohne diese Meldungen zu verifizieren. Die Agentur Rûdaw vertrete evident „politische Ansichten“, die sich in den Berichten manifestiere.

Êzîdîsche Widerstandskämpfer in Shingal
Êzîdîsche Widerstandskämpfer in Shingal

Hauptaufgabe der HPŞ ist es, das Volk in Shingal zu schützen. Dafür ist auch eine Kooperation mit den irakischen Streitkräften oder den kurdischen Peshmerga möglich. Eine Zusammenarbeit zur Sicherstellung der Sicherheit wird nicht ausgeschlossen. Als Verteidigungseinheit Shingals sei man jedoch nur „den êzîdîschen Interessen verpflichtet“, um die „Êzîden und ihre Religion“ zu verteidigen. Die rund 10.000 Peshmerga, die das Volk in Shingal verteidigen sollten, flüchteten am 3. August und überließen die Menschen ihrem eigenen Schicksal, heißt es in der Mitteilung weiter. Aufgrund der Flucht der Peshmerga konnten die IS-Terroristen mehrere tausend unschuldige Zivilisten massakrieren, bis zu 7.000 Frauen, Kinder und Mädchen entführen und etwa 400.000 Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.

Seit Monaten tobt ein politischer Machtkampf um die Region Shingal. Die zaghafte Hilfe der kurdischen Regionalregierung unter dem Präsidenten Mesûd Barzanî wird auf diesen politischen Kampf um die Region zurückgeführt. Barzanî erklärte vor wenigen Wochen, dass „Shingal und die PDK unzertrennbar“ seien, dies gelte auch für die „Êzîden und die PDK „. Eine direkte Drohung an die Êzîden, falls diese sich nicht weiterhin der PDK unterordnen und in Shingal unabhängig agieren.

Rûdaw berichtet zudem von insgesamt über 1.500 êzîdîschen Kämpfern, die innerhalb der letzen zwei Monate in Ausbildungslagern der Peshmerga militärisch für den Kampf gegen den IS ausgebildet wurden und nun schwer bewaffnet in das Shingal-Gebirge geflogen werden sollen. Die ersten 650 hätten bereits ihre Ausbildung beendet. Gezeigt werden etwa 10 êzîdîsche Kämpfer mit veralteten und abgenutzten Kalaschnikows, ohne Peshmerga-Abzeichen und Kurdistan-Flagge. Warum keine der mehrfach vom Peshmerga-Ministerium angekündigten Offensiven in Shingal erfolgte, erklärte Rûdaw nicht. Auch nicht, inwieweit die Erklärung des Peshmerga-Ministeriums für die etwa 700 êzîdîschen Widerstandskämpfer der YBŞ, die vom politischen Gegner ausgebildet worden sind, gilt.

Die Partei des südkurdischen Präsidenten Barzanî, die PDK, sieht sich als großen Verlierer im Kampf um die Vorherrschaft um die Region Shingal. Schließlich waren es die eigenen Sicherheitskräfte der Peshmerga, die mit ihrer Flucht aus Shingal das Verteidigungssystem zusammenbrechen ließen und eine noch größere Katastrophe vom politischen Gegner, der PKK und YPG, verhindert wurde.

Im Bericht von Rûdaw erklärt einer der êzîdîschen Widerstandskämpfer, dass man vor allem auf die „Helikopter der Peshmerga“ angewiesen sei, um die weiterhin im Gebirge von der Terrormiliz IS umzingelten Zivilisten und Widerstandskämpfer zu versorgen. Mit dieser einfachen Tatsache versucht nun die Führung der PDK die Êzîden zu politischen Zugeständnissen zu zwingen, gleich, ob weiterhin Leben gefährdet sind und die Waffen des Westens auch wegen dem Genozid an Êzîden erfolgten. Auch der Oberkommandeur der HPŞ, Heydar Shesho, kritisierte die Haltung der kurdischen Regionalregierung diesbezüglich entschieden. Zudem seien die etwa 150 Peshmerga im Shingal-Gebirge, die sich am einzigen Fernsehturm in Shingal aufhalten, „nicht zum Kampf“ dort stationiert, wie er gegenüber VoiceOfAmerica erklärte.

Wegen der fehlenden, ernsthaften Hilfe der kurdischen Regionalregierung wandten sich Kommandeure der HPŞ zuletzt an die irakische Regierung, um sie zu Waffenlieferungen zu bewegen, nachdem die Peshmerga auch bei der zweiten Offensive des IS tatenlos zusahen und der einzige Flucht- und Versorgungskorridor von der Terrormiliz eingenommen wurde.

Die HPŞ ist mit über 2.000 êzîdîschen Widerstandskämpfern die größte Verteidigungseinheit in Shingal, die sich das Peshmerga-Ministerium nun einzuverleiben versucht, um vom eigenen Versagen in Shingal abzulenken und einer Abspaltung der Êzîden von der PDK zu verhindern, die bereits Realität geworden ist. Auch darin begründet sich nun das aggressive Vorgehen der kurdischen Verantwortlichen.

© ÊzîdîPress, 16. Dezember 2014