Gegenwärtige, ungefähre Situation in Shingal vom 19. Dez. 2014
Gegenwärtige, ungefähre Situation in Shingal vom 19. Dez. 2014

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[S]hingal. Mit einer massiven Offensive der kurdischen Peshmerga-Truppen ist es unter Hilfe dutzender Luftschläge der Anti-IS-Koalition gelungen, die Belagerung des Shingal-Gebirges durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu durchbrechen. Innerhalb zweier Tage konnten die kurdischen Einheiten von Zûmar im Nordirak nach Shingal vorstoßen und erreichten gestern im Osten des Gebirges schließlich die ersten êzîdîschen Widerstandskämpfer in Zorava. An der Offensive sind laut Angaben des kurdischen Sicherheitsrats-Chefs Mesrour Barzanî 8.000 Peshmerga beteiligt, wie sein Büro mitteilte.

Mit Panzern und schwerer Artillerie rückten die Peshmerga-Einheiten bis zur Verbindungsstraße von Hardan im Osten zur Sherfedîn Pilgerstätte vor und eröffneten so einen Fluchtkorridor für die über 9.000 Zivilisten, die seit fast fünf Monaten vom IS umzingelt im Gebirge aushaarten. Die Bergung der Zivilisten wird in den nächsten Tagen erwartet, sofern der Fluchtkorridor gänzlich abgesichert ist.

Êzîdîscher Widerstandskämpfer im Shingal-Gebirge
Êzîdîscher Widerstandskämpfer im Shingal-Gebirge

Minen und Sprengfallen in Häusern befreiter Dörfer werden von Sprengstoffexperten der Peshmerga derzeit entschärft, so etwa im Norden von Shingal, wie ein ÊP-Korrespondent mitteilte. Einheiten der PKK, die vor allem im Westen und Süden des Gebirges aktiv sind, verstärkten ihre Angriffe auf IS-Stellungen und sichern so die Westflanke ab. Mehrere Dörfer konnten von den PKK-Kämpfern in den vergangenen Wochen bereits befreit werden.

IS-Terroristen und Sympathisanten sollen mehreren übereinstimmenden Angaben zufolge bereits aus der Hochburg Tal Afar nach Mosul und Baaj, im Süden von Shingal, flüchten. Die êzîdîschen Einheiten bereiten sich auf einen Vorstoß in den Norden vor, um die Gemeinden Dugurê, Duhola, Bork und Sinunê zurückzuerobern.

Im Verlauf der Pesmerga-Offensive konnten von Zûmar nach Shingal bis zu 20 Dörfer befreit werden, wie die kurdischen Kommandeure mitteilten. In Shingal konnten die Dörfer Hardan, Zorava und Gohbel von den IS-Terroristen gesäubert werden, die strategisch bedeutend sind.

Versorgungswege der IS-Terroristen von Mosul nach Tal Afar und von dort aus nach Shingal werden von den Peshmerga massiv angegriffen und konnten teilweise bereits eingenommen werden.

Der Fluchtkorridor im Norden, über den Mitte August noch Zehntausende Êzîden von PKK und YPG-Kräften befreit werden konnten, wurde von der IS-Terrormiliz am 20. November erobert. Die Offensive der Peshmerga gilt als eine der bisher umfangreichsten gegen vom IS besetzte Regionen. Dutzende IS-Terroristen wurden bereits getötet. Ein êzîdîscher Kämpfer der HPŞ berichtet ÊzîdîPress, dass „in jeder Ecke von Shingal Leichen der IS-Terroristen“ liegen.

Bild-Reporter Claas Weinmann, der sich vor Ort befindet, berichtet, dass am ersten Tag der Offensive acht Peshmerga im Kampf gegen den IS in Shingal ihr Leben gelassen haben und etwa 18 weitere verletzt worden sind.

Erste Einheiten der Peshmerga-Truppen sind bereits im Gebirge angekommen und marschieren nun auf die Pilgerstätte Sherfedîn zu. Nach fast fünf Monaten erhalten die Widerstandskämpfer in Shingal endlich die Hilfe, die sie seit langem erwartet haben. Und das an einem der höchsten Feiertage der Êzîden, dem Fest zu Ehren Gottes, kurd. Cejna Êzîd. Nun hoffen die Êzîden, dass verstärkt Bemühungen zur Befreiung der Frauen und Kinder unternommen werden, die weiterhin vom IS festgehalten werden.

© ÊzîdîPress, 19. Dezember 2014