Kämpfer der Widerstandseinheit Shingals (YBŞ) im Shingal-Gebirge [Rodi Said]
Kämpfer der Widerstandseinheit Shingals (YBŞ) im Shingal-Gebirge [Rodi Said]

 Shingal. Die geplante Offensive in Shingal zur Rückeroberung der südlichen Regionen wird sich verzögern. Dies teilten Funktionäre der Demokratischen Partei Kurdistans (kurd. PDK) mit, deren Peshmerga die Offensive leiten sollten. Der Machtkampf zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (kurd. PKK) und der PDK hat sich in den vergangenen Tagen verschärft, nachdem Mitglieder der PDK die PKK verbal scharf angegriffen hatten. Eine gemeinsame Offensive aller Kampfeinheiten in Shingal lehnten die PDK-Peshmerga ebenfalls zuvor ab.

Qasim Shesho, Befehlshaber der êzîdîschen PDK-Peshmerga, bezichtigte die PKK „Lügen“ zu verbreiten. Sheikh Shamo bezeichnete die PKK-Kämpfer als „Besatzungsmacht“ in Shingal. Beide Parteien beschuldigen sich gegenseitig für die Verzögerung verantwortlich zu sein. In dem Machtkampf um die politische aber auch militärische Zukunft der Region geht vor allem die PDK immer aggressiver vor. Sie fürchtet einen Machtverlust, nachdem ihre rund 11.000 Peshmerga kampflos im August 2014 aus der Region flüchteten und so einen Völkermord an der êzîdîschen Bevölkerung durch Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) ermöglichten. Kämpfer der PKK und der Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus dem Norden Syriens rückten anschließend in Shingal ein, um die Flüchtlingsströme der Êzîden vor weiteren Übergriffen der IS-Terroristen zu verteidigen, während sich die PDK-Peshmerga bereits kampflos zurückgezogen hatten.

Zudem gelang es den PKK- und YPG-Kämpfern mithilfe von Luftschlägen der US-geführten Anti-IS-Koalition einen Fluchtkorridor für die im Gebirge gestrandeten Êzîden zu erkämpfen und retteten so zehntausenden von Flüchtlingen das Leben. Die Peshmerga der PDK waren weder am Erkämpfen des Fluchtkorridores beteiligt, noch unterstützte die Partei Mesoud Barzanis die monatelang im Gebirge kämpfenden êzîdîschen Widerstandskämpfer. Erst vier Monate später, am 19. Dezember 2014, erfolgte eine Offensive der Peshmerga. Die IS-Terroristen zogen sich ohne Widerstand aus dem Norden Shingals zurück. Im April 2015 nahmen PDK-Sicherheitskräfte den Oberkommandeur der êzîdîschen Verteidigungseinheit Shingals (HPŞ), Heydar Shesho, wegen der Bildung einer „illegalen Miliz“ fest. Shesho führte die Verteidigung der Zivilisten im Shingal-Gebirge an und gründete dafür eine êzîdîsche Kampfeinheit.

Seit dem Machtverlust nutzt die PDK nun jede Möglichkeit, die PKK und die ihnen zugehörigen êzîdîschen Widerstandskämpfer zu diffamieren. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass die schlechten Witterungsverhältnisse die Peshmerga-Offensive verzögern und die PDK dies als Vorwand nutzt. Seit Monaten kämpfen fast ausschließlich PKK-Einheiten in der schwer umkämpften Stadt Shingal, während die PDK und ihre Peshmerga sich jeglicher Verantwortung entzogen haben. Mit treuen êzîdîschen Loyalisten versucht die PDK nun das Vertrauen der Êzîden zu erkaufen.

Während der Parteienstreit weiter zu eskalieren droht, führt die Shingal-Allianz zusammen mit PKK- und YPG-Einheiten erneut Offensiven im Südwesten der Region durch. Ziel ist das syrisch-irakische Grenzgebiet, wo auf syrischer Seite die YPG weitere Erfolge im Kampf um die strategisch bedeutende Ortschaft Al-Hawl erzielen konnte.

© ÊzîdîPress, 3. November 2015