Jemil-Shekh-Nasir-und-Sherzad-Seydo-Qolo
[S]ilêmaniya. Erst vor wenigen Tagen wurde ein 20-jähriger Êzîde, der in der südkurdischen Stadt Silemaniya arbeitete, tot an seinem Arbeitsplatz aufgefunden. Mûsa Qîranî wurde an Händen und Beinen gefesselt und mit einem Steinblock tot geschlagen, erklärte die Polizei wenig später. Doch es ist nicht der erste Fall von Gewalt gegenüber Êzîden in der sonst weltoffenen und relativ sicheren Stadt Silemaniya.

Seit Wochen werden zwei weitere Êzîden vermisst, die ebenfalls in Silemaniya nach Arbeit suchten um ihre Familien zu versorgen. Von Jamil Shekh Nasir, ursprünglich aus der Kleinstadt Khanasor in Shingal, fehlt seit nunmehr 20 Tagen jede Spur. Nachdem der 23-jährige in einem Hotel in Silemaniya eincheckte und seinen Vater über seine Ankunft informierte, brach der Kontakt vollständig ab. Êzîdîsche Aktivisten berichten, dass Jamil Nasir von Unbekannten entführt wurde und warnen zudem seit Wochen vor Schläferzellen radikaler Islamisten in der Stadt. Die Polizei hat bisher keine Erkenntnisse zum Verbleib von Jamil Nasir.

Auch das Schicksal des jungen Êzîden Sherzad Seydo Qolo ist ungewiss. Er wird seit dem 6. April 2015 vermisst und war ebenfalls alleine nach Silemaniya gegangen, um dort zu arbeiten. Kurz nach seiner Ankunft verschwindet er unerwartet. Êzîdîsche Aktivisten fordern die kurdische Regierung und insbesondere die Sicherheitskräfte in Silemaniya auf, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und Untersuchungen zum Verbleib der beiden Êzîden zu intensivieren. Sherzad Qolo soll ebenfalls von Unbekannten verschleppt worden sein.

Viele Êzîden, vermehrt aus Shingal, verdienen in der Stadt Silemaniya ihren Lebensunterhalt und geraten zunehmen ins Visier von kriminellen bzw. terroristischen Gruppen, so die Aktivisten. Dass die Übergriffe auf Êzîden in den sonst sicheren südkurdischen Städten zunehmen, besorgt die êzîdîsche Gemeinschaft sichtlich. Eine weitere Existenz im gesamten Irak wird immer unwahrscheinlicher.

Spendenbox für die Familie von Mûsa Qîranî in Baadrê
Spendenbox für die Familie von Mûsa Qîranî in Baadrê

Erst kürzlich wurden in Bagdad fünf Êzîden bei einem Attentat getötet, weitere sieben verletzt. Auch sie versuchten in der irakischen Hauptstadt den Lebensunterhalt ihrer Familien zu bestreiten. Vor dem Hintergrund des Genozids in Shingal werden selbst optimistische Würdenträger der Êzîden wie Baba Chawish Pîr Shero immer pessimistischer, was die Zukunft der Minderheit im Irak und schließlich die Existenz überhaupt anbetrifft.

In der Gemeinde Baadrê ist unterdessen eine Spendenbox für die Familie von Mûsa Qîranî aufgestellt worden. Der 20-jährige versorgte seine Mutter und die jüngeren Geschwister alleine, nachdem der Vater bereits vor einigen Jahren verstarb und die Familie im August vergangenen Jahres vor den Terror-Schergen des „Islamischen Staates“ aus Shingal flüchten musste.

© ÊzîdîPress, 14. Mai 2015