Aus der IS-Hölle entkommen Êzîdîn. In Syrien werden Frauen offen zum Kauf gestellt
Aus der IS-Hölle entkommen Êzîdîn. In Syrien werden Frauen offen zum Kauf gestellt


[S]yrien. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) verkauft Informationen einer syrischen Aktivistengruppe zufolge versklavte êzîdîsche Frauen auf offener Straße. Die Aktivisten beobachteten, wie der IS êzîdîsche Frauen nahe der syrischen Stadt Dere ez-Zor zur Schau stellt und anschließend „Verhandlungen“ mit Kaufwilligen betreibt.

In der nordöstlichen Kleinstadt Al-Shaddadi, etwa 40km südlich von Al-Hasakeh, werden die Frauen den IS-Terroristen und zivilen Käufern vorgeführt. Organisiert werden die Verkäufe den Angaben nach von einem abtrünnigen Soldaten der Assad-Truppen namens Muhaymen Attaye, der nun als regionaler Emir der Terrormiliz fungiert und Taher Al-Hamza, Mitglied im Geheimdienst der Terrororganisation. Die Preisverhandlungen finden dann hinter verschlossenen Türen statt: Nachdem ein IS-Terrorist oder Käufer Interesse an eine der Frauen bekundet, zieht er bei seiner Entscheidung seine Familie zurate und teilt Preis und Alter der Frau mit. Jede der Frauen hat ihren eigenen Preis: je nachdem, wie hübsch und wie alt sie ist.

Frauen und Mädchen unter 20 Jahren werden demnach für etwa 2,500 US-Dollar verkauft, berichten die Aktivisten weiter. Ein junger Tunesier, welcher sich der Terrormiliz angeschlossen hat, kaufte eine 18-jährige Êzîdîn für über 2,500 US-Dollar. Ein Zivilist aus Hasake habe zwei Mädchen gekauft, um diese anschließend freizulassen. Der IS interveniere gegen diese Aktionen nicht, erklären die syrischen Aktivisten. Der Preis wäre schließlich schon gezahlt.

In Dere ez-Zor und Umgebung werden weitere hunderte êzîdîsche Frauen festgehalten. Einigen konnten in der Vergangenheit ebenfalls mithilfe von arabischen Mittelsmännern freigekauft werden. Bis zu 7.000 Êzîden, hauptsächlich Frauen, Mädchen und Kinder, hat die Terrormiliz im August 2014 aus Shingal, dem Hauptsiedlungsgebiet der Êzîden im Nordirak, als „Kriegsbeute“ verschleppt.

Die Frauen werden zur Sexsklaverei gezwungen und sind systematischer Vergewaltigung ausgesetzt, wie die UN kürzlich in einem Bericht dokumentiert hat. Auch minderjährige Mädchen im Alter von neun Jahren bleiben von sexueller Gewalt der Terroristen nicht verschont. Auf Sklavenmärkten wie in Al-Shaddadi werden sie dann verkauft – auch an reiche Männer bis nach Saudi-Arabien. Erst vor kurzem kontaktierte eine entführte Êzîdîn aus dem Dorf Kocho ihre Eltern und berichtete von ihrem Aufenthaltsort in einer saudi-arabischen Stadt.

Die Mehrzahl der entführten ÊzîdInnen wird im Irak festgehalten, in IS-Hochburgen wie Mosul, Tal Afar und Anbar. Obwohl die Aufenthaltsorte bekannt sind und wie in Tal Afar teilweise nur wenige Kilometer vor den Frontlinien liegen, werden keine militärischen Maßnahmen zur Befreiung unternommen. Lediglich durch Mittelsmänner, zumeist lokale arabische Stämme, können wenige freigekauft werden. Um diese Art von Freikauf nun zu unterbinden, hat die Terrormiliz in Tal Afar mit der Deportation der Frauen und Kinder in südlichere, und damit besser kontrollierbare Regionen, begonnen. Zuvor selektierten sie die männlichen Êzîden ab 14 Jahren von der Gruppe. Es wird befürchtet, dass sie getötet werden sollen. Vereinzelte Berichte, wonach bereits Hinrichtungen durchgeführt worden seien, entsprechen nach Geheimdienstinformationen die ÊzîdîPress vorliegenden nicht der Wahrheit.

In Nigeria hat das Militär in den vergangenen Tagen rund 460 Frauen und Mädchen aus der Gewalt der Islamistenmiliz Boko Haram (mit dem IS verbündet) befreit – mit der Unterstützung von Söldnern, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung in ihrer Printausgabe am Donnerstag berichtete.

© ÊzîdîPress, 1. Mai 2015