Zwei junge Muslime beschimpfen einen Êzîden aufgrund seiner Religion im Flüchtlingsheim von Dunningen (Video-Screenshot)
Zwei junge Muslime beschimpfen einen Êzîden aufgrund seiner Religion im Flüchtlingsheim von Dunningen (Video-Screenshot)

„Wir sind aus dem Irak geflüchtet, weil man uns diskriminierte. Nun hat man uns mit denselben Leuten unter ein Dach gebracht, von denen diese Stigmatisierung ausging“, sagt der junge Faraj gereizt, der zurzeit im baden-württembergischen Flüchtlingsheim in Dunningen untergebracht ist. Faraj ist Êzîde aus dem Irak und flüchtete wegen der alltäglichen Diskriminierung und vor den Terrorschergen des „Islamischen Staates“ (IS), die wenige Kilometer vor seinem Heimatdorf standen.

Wie viele andere auch, erhofft sich Faraj die Chance auf ein besseres, sicheres Leben in Deutschland, wo er aufgrund seiner Religionszugehörigkeit keine Ablehnung zu befürchten hat. Dass er aber auch hier in Deutschland wegen seiner religiösen Identität angegriffen wird, hätte Faraj sich nicht ausmalen können. Dennoch ist es bittere Realität: Nahezu täglich finden in den Flüchtlingsheimen bundesweit Beschimpfungen, sexuelle Belästigungen und Übergriffe auf Christen und Êzîden durch muslimischsstämmige Asylbewerber statt. Längst sind es keine Einzelfälle mehr.

Ende Dezember vergangenen Jahres wird Faraj von zwei Muslimen aus dem Irak, Zerevan A. und Ari Abas O. angesprochen und danach befragt, ob er Êzîde sei. Als Faraj die Frage bejaht, beginnen die jungen Männer, auf ihn und seine Religion loszuschimpfen. Andere Asylbewerber zeichnen das Geschehen mit ihren Smartphones auf. In den kommenden Tagen wird Faraj wiederholt angefeindet. Dann eskaliert die Situation. An einem Abend im Januar suchen die jungen Muslime Faraj ein weiteres Mal auf und erheben die Fäuste gegen ihn.

„Gegen 22 Uhr betraten sie mein Zimmer, beschimpften und stießen mich. Als sie mir dann ins Gesicht schlagen wollten, stellte sich ein Schiit aus dem Irak zwischen uns“, sagt Faraj und fügt hinzu: „Es sind nicht alle [Muslime] so. Aber auch ich bin nur einer von vielen Êzîden, denen es so ergeht“.

Mit Hilfe der örtlichen Sozialarbeiter erstattet Faraj Anzeige bei der Polizei. „Deutschland kann nicht davon ausgehen, dass diese Menschen ihre Mentalität an der Grenze ablegen. Ihr Hass verschwindet nicht von heute auf Morgen“, sagt Faraj. „Viele von ihnen benehmen sich so, als würde dieses Land ihnen gehören, als gelten hier ihre Regeln und Gesetze aus dem Koran“.

Wenige Monate zuvor kam es im baden-württembergischen Erstaufnahmelager in Ellwangen zu einer Massenschlägerei zwischen Muslimen auf der einen Seite und Christen und Êzîden auf der anderen. Heute dann erfolgte eine Razzia der Polizei in Ellwangen – weil vor allem Muslime aus Nordafrika immer wieder durch Schlägereien auffielen.

Ein êzîdîsches Mädchen, das in einem Flüchtlingsheim für Minderjährige untergebracht ist und nicht namentlich genannt werden möchte, berichtet, wie sie von mehreren Marokkanern vulgär angegangen wurde, nachdem sich einen Fernsehbeitrag über Êzîden ansah und man sie als Êzîdîn identifizierte. Die Heimleitung verwarnte die jungen Männer, ohne jedoch konkrete Präventivmaßnahmen einzuleiten. Auch aus den Flüchtlingsheimen in Osnabrück beschweren sich die Êzîden über Beleidigungen seitens junger muslimischer Männer. Die Muslime würden sie als „Ungläubige“ beschimpfen, erklärt einer der Êzîden dort.

Besonders pikant: nicht wenige der muslimischen Asylbewerber, vor allem aus dem Irak, geben sich gegenüber den deutschen Behörden als Êzîden aus der Shingal-Region aus, um damit ihre Chance auf einer Anerkennung als Asylberechtige zu erhöhen. Mehrere dieser Fälle sind bekannt und können von Êzîden bezeugt werden. Auch einer der Angreifer aus Farajs Flüchtlingsheim gibt sich laut Faraj als Êzîde aus der Shingal-Region aus, obwohl er aus der Stadt Duhok stamme und Sunnit sei.

Seit Jahrhunderten ist die êzîdîsche Minderheit, die heute kaum 800.000 Angehörige zählt, dazu gezwungen, aufgrund gesellschaftlicher und institutioneller Stigmatisierung aus ihrer Heimat zu flüchten. Viele traditionelle Siedlungsgebiete der Êzîden sind deshalb heute verlassen. Seit dem Genozid der Terrormiliz „Islamischer Staat“ an den Êzîden in Shingal flüchten monatlich tausende Êzîden gen Europa.

Schlimmer ergeht es jedoch den êzîdîschen Frauen und Kindern aus der Shingal-Region, die von den Gräueltaten der IS-Terrormiliz traumatisiert sind und nach Deutschland flüchteten. Die lauten Rufe zum Gebet, die langen Bärte und die Übergriffe lassen sie in den Flüchtlingsheimen nicht zur Ruhe kommen – Erinnerungen an ihre muslimischen Nachbarn, die sich der Terrormiliz anschlossen und ihre Verwandten massakrierten.

Die Zahl der Übergriffe, die vor allem von jungen, männlichen Muslimen ausgeht, liegt höher als angenommen. Viele der Christen und Êzîden scheuen sich davor, Hilfe bei den Behörden zu ersuchen. Zu groß ist die Angst, dass die Übergriffe dann zunehmen und die Situation eskalierte. Forderungen nach religiöser Zugehörigkeit getrennte Unterbringungen blieben bisher fast ungehört.