Naira Zohrabyan im armenischen Parlament (aravot)
Naira Zohrabyan im armenischen Parlament (aravot)


Jerewan. Das armenische Parlament könnte bereits in Kürze über die Anerkennung des Völkermordes an den Êzîden im Irak abstimmen. In einem Exklusiv-Gespräch mit ÊP hat die armenische Parlamentsabgeordnete Naira Zohrabyan erklärt, dass ihre Partei „Blühendes Armenien“ einen Gesetzesentwurf zur Anerkennung des Völkermordes der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) an Êzîden in Shingal einbringen wird.

ÊP-Korrespondent Boris Murazi in Armenien hat mit der Parteivorsitzenden Zohrabyan, die immer wieder die Rechte der Êzîden auf europäischer Ebene anspricht, über den geplanten Gesetzesentwurf gesprochen.

Frau Zohrabyan, Sie sind eine der wenigen Persönlichkeiten, die den Problemen der Êzîden besondere Aufmerksamkeit widmet. In der Parlamentarischen Versammlung des Europarates haben Sie die Menschenrechtsverletzungen an Êzîden im Irak zur Sprache gebracht. Nun möchten Sie mit einem Gesetzesentwurf den Völkermord an den Êzîden anerkennen.

Zohrabyan: Was der êzîdîschen Bevölkerung im Irak widerfahren ist, ist eindeutig ein Völkermord. Würden wir anders entscheiden, hieße das, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen und der grausamsten Art des Mordes, den Völkermord und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, freien Lauf zu lassen. Bisher hat keine Institution den Völkermord an den Êzîden im Irak in Frage gestellt. Wir als Parlamentarier haben daher jegliche internationale Plattformen zu nutzen, um auf diese Problematik aufmerksam zu machen. Vertreter der Partei „Blühendes Armenien“, die in verschiedenen internationalen Institutionen mitwirken, hatten diese Problematik stehts vor Augen, gerade auch weil wir um den verständlichen Schmerz der Êzîden wissen, der in ähnlichen Vorfällen anerkannt wurde.

Wir als Armenier, die den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts überlebt haben, sind verpflichtet alle heute verübten Ungerechtigkeiten zu bekämpfen. Dass gegen die êzîdîsche Population im Irak ein Völkermord begangen wurde ist eine Tatsache, die als solche von der Welt anerkannt und verurteilt werden muss.

Wie wird das Parlament Ihrer Einschätzung nach über den Gesetzesentwurf abstimmen? Glauben Sie, dass die Armeniern in gewisser Weise verpflichtet sind, den Genozid an Êzîden anzuerkennen?

Zohrabyan: Ich hoffe, dass das von der Partei „Blühendes Armenien“ entworfene Gesetz von allen armenischen Parlamentariern angenommen wird. Wenn wir von der Welt und vor allenm von der Türkei eine Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern erwarten, haben wir die moralische Pflicht auch den gegen unsere êzîdîschen Geschwister verübten Genozid anzuerkennen. Da gibt es keine zwei Optionen.

Hintergrund

Am 3. August 2014 stürmte die Terrormiliz „Islamischer Staat“ das Hauptsiedlungsgebiet der Êzîden im Nordirak. In der Shingal-Region ermordeten die IS-Terroristen nach UN-Angaben über 5.000 Êzîden und verschleppten und versklavten bis zu 7.000 Êzîden, überwiegend Frauen und Kinder. In der Gefangenschaft sind die ÊzîdInnen systematischer sexueller Gewalt ausgesetzt. Die UN-Menschenrechtskommission, das US-Außenministerium, das britische Parlament sowie das Europäische Parlament haben die Verbrechen des IS an Êzîden als Völkermord bewertet. Der IS hat im eigens publizierten Magazin die Versklavungen und Ermordungen an Êzîden zugegeben und für ihre Anhänger legitimiert.

© ÊzîdîPress, 12. Mai 2015