Kämpfer durchqueren die zerstörte Stadt Shingal im Nordirak (Nov, 2015)
Kämpfer durchqueren einen zerstörte Stadtteil Shingals im Nordirak (Nov, 2015)


Shingal. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat während seines Irak-Besuchs Hilfe für den Wiederaufbau zerstörter Städte im Irak zugesagt. In Bagdad traf Außenminister Steinmeier auf den irakischen Regierungschef Haidar al-Abadi, dem er einem Bericht der Süddeutschen Zeitung nach sein Versprechen erneuerte, die von der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) befreiten Städte mit deutscher Hilfe wieder aufzubauen. Auch Feldlazarette sollen bereitgestellt werden.

So sollen einer ersten Entscheidung nach mindestens 20 Millionen Euro in den Wiederaufbau der kürzlich befreiten Shingal-Region fließen. Die Region, insbesondere die gleichnamige Stadt, stand über ein Jahr unter der Kontrolle der Terrormiliz IS. Der Großteil der Infrastruktur sowie Häuser und öffentliche Gebäude sind zerstört. Und noch immer stehen im Süden der Region zwei große Gemeinden unter der Gewalt des IS. Dort, wo der IS seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Êzîden im August vergangenen Jahres begann. Einige der befreiten Dörfer müssen von Grund auf neu aufgebaut werden. Die Wiederherstellungskosten werden auf eine dreistellige Millionenhöhe beziffert.

Zerstörtes êzîdîsches Dorf Duhola im Norden der Shingal-Region

Doch auch nach der Befreiung der Stadt ist an eine Rückkehr der über 430.000 êzîdîschen Flüchtlinge zunächst nicht zu denken: Überall haben die Extremisten Minen verteilt und Sprengfallen angebracht. Erst vor wenigen Tagen kamen bei der Explosion eines Sprengsatzes des IS nahe der Stadt Shingal sieben êzîdîdîsche Peshmerga ums Leben. Zu groß sind zudem die Ängste, die IS-Terroristen könnten erneut angreifen und die Sicherheitskräfte wie im August letztens Jahres davonrennen. Die Erinnerungen an den Völkermord sind noch immer frisch. Fast täglich werden Massengräber mit hunderten von êzîdîschen Opfern gefunden, die von ihren Angehörigen – wenn möglich – identifiziert werden müssen. Die UN bestätigte alleine in der Stadt Shingal den Fund von 16 neuen Massengräbern. Etwa 15 wurden zuvor im befreiten Norden entdeckt. Weitere werden in den südlichen Regionen befürchtet. Immer mehr Êzîden verlassen den Irak und suchen den Weg nach Europa.

Noch immer befinden sich zudem tausende Frauen und Kinder in IS-Gefangenschaft. Entführt und versklavt als „Kriegsbeute“, wie der IS die Verschleppten nennt. Täglich werden sie in der Gefangenschaft vergewaltigt, selbst minderjährige Mädchen. Die UN-Menschenrechtskommission bewertet die Verbrechen des IS an Êzîden als Völkermord. Evidentes Ziel der IS-Miliz sei es, die „Yeziden als Gruppe zu vernichten“, heißt es in dem ausführlichen Bericht.

Deutschland hat unter dem Eindruck des Völkermordes an Êzîden mit der außenpolitischen Doktrin, keine Waffen in Kriegsgebiete zu senden, gebrochen. So liefert die deutsche Regierung bis heute Waffen und Ausrüstung an die kurdischen Peshmerga. Die Bundeswehr bildet zudem kurdische Kämpfer aus – darunter auch mehrere Battalione êzîdîscher Peshmerga. Bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe für die Flüchtlinge im Nordirak gehört Deutschland zu den führenden Nationen.

© ÊzîdîPress, 8. Dezember 2015